Mittwoch, 21. Dezember 2011

Leinen los in Finkenwerder

Ein Artikel aus dem Hamburger Abendblatt aus 2004






Segelschein: Aus dem ganzen Hamburger Raum, aber auch aus Bayern, kommen die künftigen Freizeitkapitäne zur Yachtschule Eichler.








FINKENWERDER. "Doch, ich bin schon ein wenig aufgeregt", sagt Maria Timm (48). Dabei besteht gar kein Grund dazu. Die "Quattro" wirkt eher winzig neben der 16-Meter-Yacht, die mit ihr im Yachthafen am Finkenwerder Fähranleger festgemacht ist. Mit der größeren "Viamaris" nämlich sind Maria Timm und Ehemann Ulrich (48) mit einer ganzen Crew erst vor kurzem auf einem dreiwöchigen England-Törn unterwegs gewesen. Doch nun steht die erste offizielle Segelschulstunde auf dem Feierabendprogramm der beiden Norderstedter. Verpackt in wasserdichte Kleidung, die dünne Schwimmweste umgeschnallt, gehen sie mit Lehrer Andy Geerinck (25) auf das elf Meter lange Segelschiff "Quattro". Der erste Unterricht auf dem Wasser beginnt.
Maria und Ulrich Timm sind fest entschlossen, zusätzlich zum Motorbootschein das Segelpatent zu erwerben. Dafür haben sie sich die Yachtschule Eichler in Finkenwerder ausgesucht. Andy Geerinck begrüßt Ehepaar Timm an Bord des kleinen "Segelschulschiffes". Jetzt können seine Schüler praktisch anwenden, was sie in wochenlangen Übungsstunden bisher nur theoretisch wussten. Das Ziel der kleinen Crew ist das spannende Segelrevier der Elbe. Andy erklärt kurz noch einmal die vielen verschieden dicken Leinen, die über die Klemmen laufen. Ulrich Timm macht sich anschließend daran, die Fender von der Außenbordwand zu lösen und innen an der Reling mit einem Palstek, so heißt der patente Seemannsknoten, zu befestigen. Die Fender haben das Boot vor Schrammen von der Kaimauer geschützt. Sie werden erst beim Anlegen wieder benötigt.
Ehefrau Maria wirft den Außenbordmotor an. Die Crew nimmt langsam Kurs Richtung Elbe, beobachtet von den Pendlern, die auf der Fähre Richtung Landungsbrücken unterwegs sind. Der Blick auf den "Verklicker" ganz oben am Mast verrät ihnen, aus welcher Richtung heute der Wind weht. Erst als der direkt von vorn kommt, hissen sie das große Segel. "Die Schüler begreifen jetzt, dass das Schiff auch gegen den Wind segeln kann", sagt Robert Eichler (43), Inhaber der Yachtschule. "Das Zusammenspiel zwischen dem stabilen Kiel unter dem Schiff und dem Wind in den Segeln bringt es in Bewegung."
Auf dem Motorboot der Yachtschule Eichler, das an diesem Abend bereits mehrmals von Ufer zu Ufer gefahren ist, gibt Lehrer Volker Hummel seinen Schülern Angelika Schwammberger (45) aus Bergedorf, Ute Buscher (33) aus Buxtehude und Karl-Heinz Müller (48) aus Inning am Ammersee Instruktionen für die erste praktische Unterrichtsstunde an Bord. "Vorspring auf Slip", ruft "Landratte" Karl-Heinz Müller aus Bayern laut und deutlich, bevor der Finkenwerder Lehrer die Leinen wieder losmacht. Der Finkenwerder Volker Hummel blickt zufrieden. Die drei Schüler lösen sich ab, und je öfter sie mit der "Pinne" über den Köhlfleet steuern und beim Anlegen den Motor zurückfahren, desto geschickter gehen sie mit dem Boot um.
Vor neun Jahren entschloss sich der begeisterte Segler Robert Eichler (43), wieder zurück auf die Elbinsel zu kommen. Nach fünf Jahren Aufenthalt in der Türkei, weckte der ehemalige Honorarkonsul von Marmaris und Besitzer einer Segelmacherei die Yachtschule Eichler (vorher Segelschule) zu neuem Leben. Mit Erfolg. Schnell wurden die Räume im Norderdeich zu klein, und er zog mit seinem Team an den Köhlfleet-Hauptdeich. Ein eigener Yachthafen wurde gebaut. "Wer sich dazu entschließt, den Sportküstenschifferschein zu machen, muss viel lernen", sagt Robert Eichler. "Zunächst wird nämlich erst der amtliche Sportbootführerschein ,See' erworben, der Voraussetzung für den Segelschein ist." Das wollen pro Jahr rund 500 Teilnehmer bei ihm. "Zuerst bieten wir eine Schnupper-Unterrichtsstunde an", sagt Robert Eichler. "Dann entscheidet jeder, ob er sich die Prüfungen zutraut oder nicht."
Robert Eichlers Yachtschule gehört zu den größten Deutschlands und ist eine der wenigen Ausbildungsstätten, die astronomische Navigation lehren: Schippern nach den Sternen. Hier kann durch Gestirnsmessungen die eigene Position festgestellt werden. Auch Teilnehmer aus Österreich und der Schweiz kommen nach Finkenwerder, um hier das begehrte Seefunk-Zeugnis zu erhalten.
Maria und Ulrich Timm haben den Motorbootschein "See" bereits in der Tasche. "Jetzt fehlt uns nur noch die Ausbildung auf dem Segelboot. Erst nach erfolgreichem Abschluss dürfen wir uns ein Boot ausleihen. Vorher nicht." Als Belohnung bietet Robert Eichler seinen Schülern im trüben November die Teilnahme an einem Segeltörn in der Karibik an. "Das ist dann nur noch Traum", sagt er, "segeln ohne Regen, kalten Wind und eine Menge Spaß."
Mehr Informationen im Internet unter www. yachtschule-eichler.de oder bei Robert Eichler unter Telefon 040/74213064.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Feedback: